Presse: Aus Junge Kunst vom Februar 1998

Aus Junge Kunst vom Februar 1998, „Blinde und Kunst e.V. von Engelbert Broich: Blinde und Kunst e.V.

Ein Erlebnisparcours für Sehende und Blinde zeichnet indi­rekt für das Zustandekommen des Vereins Blinde und Kunst e.V. verantwortlich. Siegfried . Saerberg, 1961 sehbehindert geboren, mit Zwanzig erblindeter Philosoph und Soziologe, war einer der Organisatoren der 1992 in Hamburg durchge­führten Aktion „Dialog im Dunkeln“. Deren Verlauf ließ in ihm die Idee eines Projekts „Blinde und Kunst“ keimen, und im selben Jahr wurde mit Gleichge­sinnten in Köln dessen Gründung vollzogen.

Angestrebt wird die Verwirklichung folgender Ziele: Blinden KünstlerInnen aller Sparten soll ein Forum geboten, Kunst für Blinde zugänglich, die Öffentlichkeit auf die besondere Problematik aufmerksam gemacht werden. Man hofft mittels der Kunst Sehenden die Erlebnis- und Gestaltungsdimensionen von Blinden näher bringen, Blinde und Sehende zusammenführen zu können. „In diesem Kontext wurden außergewöhnliche Veranstaltungskonzepte entwickelt“, so Saerberg. „Blackout“, eine Mi­schung aus Dunkelshow und -party mit Tresenbetrieb, Live-Musik (Klassik, Blues, Jazz) und Literaturlesung, die erstmals 1993 im Hamburger Szene­Theater foolsgarden“ stattfand. Mit Beteiligung Dritter startete 1995 die „Sinnenfinstermis“, eine Kunstausstellung in absoluter Dunkelheit, und 1997 öffnete das „Café Finsternis“ auf den Südwestfunk-Hörspieltagen in Freiburg seine Türen.“

Zur Zeit gehören dem Verein unter Vorsitz des Kölner Rechtsanwalts Stefan Rappen etwa 25, je zur Hälfte t blinde und sehende Mitglieder an; Musikerinnen, Sängerinnen, Schrift­stellerinnen und eben Künstlerinnen. Darunter der 67jährige, späterblin­dete, in Speckstein, Keramik und Alabaster arbeitende Rudolf Petersen aus dem norddeutschen Buchholz. Ebenso Jutta Keul aus Kassel, 1957 ebendort geboren. Vor ihrer Erblindung mit dreißig Jahren als Fotografin tätig und im Bereich Keramik/ Malerei aktiv, setzte sie anschließend nicht nur das Töpfern zumeist gegenständlicher Tonware fort. Außerdem entwickelt sie
(halb)taktile Materialbilder, malt in unterschiedlichen Techniken. Als einzige blinde bildende Künstlerin nahm sie 1995 an der Premiere von „Sinnenfinsternis“ in Bergisch Gladbach teil.

Zustande kam das Projekt durch die Kooperation des Arbeitskreises der Künstler aus dieser Köln benachbarten Stadt mit dem Verein Blinde und Kunst. Die dreiwöchige Exposition in völliger Dunkelheit unter Beteiligung von Rückriem und Nierhoff umfaßte Plastiken, Installationen verschiedenster Art, darunter solche mit Klang-, Geruchs-und Geschmackselementen „Exponate für solche Aktivitäten“, betonte Saerberg, „müssen Berührung verkraften können, dürfen Besucher nicht gefährden.“
Favorisiert werden daher gesicherte Arbeiten aus Stein und Metall.

„Die Sehenden nehmen das Angebot der jährlich rund neun, von einem Tag bis drei Wochen dauernden Veranstaltungen gut an‘, berichtet Saerberg. Insbesondere bei Schulklassen erfreuen sich die „Erlebnis“-Ausstellungen in Dunkelheit großer Beliebtheit. Köln und Hamburg bilden die eigentlichen Veranstaltungszentren des Vereins. Gastspiele gab es jedoch auch schon in Bremen, Freiburg, Hannover, Hildesheim, Krefeld, Oberhausen und Wuppertal. Dreimal jährlich erscheint das Hör-Magazin „Blinde und Kunst“, dessen Vergabe noch auf die Mitglieder beschränkt ist. Es dient der Dokumentation und weist auf Veranstaltungen hin.

Saerbergs Zwischenbilanz fällt po­sitiv aus: „Wir bearbeiten ein großes und äußerst interessantes Gebiet.“ Je­doch leiden
die Aktivitäten des zudem personell unterbesetzten Vereins unter einer chronisch finanziellen Mi­sere. Beiträge, Eintrittsgelder und Spenden finanzieren den Verein nur ungenügend. So decken Einnahmen bei Veranstaltungen, wenn über­haupt, gerade die jeweiligen Kosten. Selbstredend sucht man daher nach Sponsoren, nicht zuletzt für die Finanzierung eines Preises für blinde bildende Künstlerinnen, dessen erstmalige Ausschreibung für 1999 geplant ist.